Hier nochmals ein Teil der Arbeit übersetzt:
... Das bedeutet, dass (bei der Zunahme der RSV-Erkrankungen, d.Ü.) ein noch unidentifizierter Faktor eine Rolle spielen muss. Dieser Faktor müsste die Empfänglichkeit und den Krankheitsverlauf (Hospitalisierung) besonders bei Säuglingen bzw. unter 2jährigen Kindern beeinflussen. Da der RSV, wie bereits in den 50er Jahren gezeigt wurde, das wichtigsten Pathogen in dieser Altersgruppe ist, ist die Verschlechterung einer Grundgegebenheit anzunehmen, und da besonders eine Beeinträchtigung der Immunabwehr des Wirtes. Dieser Faktor kann nicht genetischer Natur sein, da das menschliche Genom nicht so schnell mutiert. Bei der Frage nach den Faktoren, welche die Immunabwehr des Wirtes in einem so frühen Lebensabschnitt beeinflussen, erscheinen die diaplazentare oder intrauterine Aktivierung („Priming“) bzw. Strukturierung des Immunsystems am ehesten plausibel. Diaplazentare Faktoren wurden in der Literatur bereits ausführlich diskutiert.
Sucht man nach einem länderspezifischen Faktor, der sich zu den gegebenen Zeitpunkten 1987 in den USA, um 1989 in Schweden, und Anfang bis Mitte der 90er Jahre in Deutschland und über die Mütter der betroffenen Kinder auswirken konnte (via der Struktur des Immunsystems dieser Mütter), erscheint die Einführung der Masernimpfung 1963 in den USA, 1971 in Schweden und 1973 in Deutschland und die 20 bis 25jährige Latenzzeit, bis die geimpften Mütter heranwuchsen und schwanger wurden, eine plausible Hypothese.
Die ansteigende Inzidenz obstruktiver Bronchialerkrankungen bei Säuglingen geht parallel mit dem seinerzeitigen Anstieg der Durchimpfung der entsprechenden Population von Müttern. Länder mit einer niedrigeren Masern-Durchimpfungsrate weisen offenbar eine niedrigere Inzidenz RSV-positiver Hospitalisationen auf. Die exorbitanten RSV-Erkrankungsziffern von amerikanischen und alaskischen Eingeborenen könnten den selben Grund haben, da diese Populationen erst nach Ankunft der Europäer mit dem Masernvirus konfrontiert wurden – aus der Sicht der Evolution eine kurze Zeitspanne.
Da unsere Zahlen zur Inzidenz der obstruktiven Bronchitis um oder kurz nach 1988 auf dem Niveau der USA lagen und der Masernimpfstoff in Deutschland erst 1973 zugelassen wurde, mit einem nur langsamen Anstieg der Impfraten, war eine Zunahme der Inzidenz von Infekten der unteren Luftwege und speziell von obstruktiven Bronchitiden in Deutschland für Mitte der 90er Jahre erwarten. Die meisten Pädiater werden aus ihrer Beobachtung heraus bestätigen, dass es sich genau so verhielt, und auch unsere Studie deutet - trotz ihrer kurzen Zeitreihe mit Fluktuationen wie in den Vorgängerstudien - auf einen Aufwärtstrend hin, der diese klinische Beobachtung stützt.
Wenn wir solche weitreichenden Behauptungen aufstellen, sind wir uns der begrenzten Aussagekraft der kurzen Zeitreihen unserer Studie bewusst. Unsere Hypothese lautet, dass die natürlichen Masern bei den Müttern und bei der von ihnen auf den Sprössling übertragenen RSV-Immunität eine andere Abwehrstruktur („immune constitution“) bedingen. Da in der Bevölkerung immer mehr Mütter als Kinder maserngeimpft wurden, kommt es mit der Zeit zu einem immer größeren Pool von Kindern, die für schwere Infekte der unteren Luftwege empfänglich sind. Dies ist darauf zurückzuführen, dass beide Viren, das Masernvirus und das RSV, zur selben Familie der Paramyxoviren gehören, wobei die Masern immunsuppressiv wirken, während die RSV-induzierte obstruktive Bronchitis eine hypersensitive Störung ist.
Wir sind uns bewusst, dass unsere Hypothese eine erneute Anschuldigung des Masernimpfung ist, doch sie sollte als Hypothese aufgefasst werden, die weiterer Nachforschung wert ist.“
Das ganze Thema ist äusserst unbequem, da man damit u.U. die Massenmasernimpfungen hinterfragen muss. Wahrscheinlich wollte man gar nicht, dass es im Abstract erscheint.
Ich bekomme demnächst noch die ganze Arbeit von einem Kollegen zugesandt. Vielleicht kann ich dann noch mehr liefern.