Vielleicht ist das hier das falsche Forum - aber immerhin findet sich der Eintrag "Erfahrungen zum impfen, bzw. nicht impfen". Also kann es so falsch nicht sein.
Meine Erfahrungen fangen zunächst bei mir selbst an. Ich habe an meine frühe Kindheit wie üblich einige wenige Erinnerungen. Dazu aber einige negative die mich mein Leben lang begleiten. Die eigenen Erfahrungen gebe ich daher wieder aufgrund meiner Erinnerungen und vielen Gesprächen mit meinen älteren Geschwistern und Eltern, die sich an diese Zeit noch intensiver erinnern als ich.
Ich bin Jahrgang 1968 und 1973 an Masern erkrankt. Der zunächst übliche Krankheitsverlauf hat wenig Aufsehen erregt. Das musste man durch. Ich wurde von vielen Freunden besucht und nach ca. 1 Woche erweiterte sich der Maserninfekt um Windpocken. Da war bereits Schluss mit lustig. Im Verlauf der gleichen Woche stellte sich dann noch eine schwere Lungenentzündung ein. Ich erinnere mich an diesen Teil noch an Omas alte Wolldecke, an das fürchterliche Rasseln beim Atmen und die sehr gedrückte Stimmung. Ich erinnere mich auch stückweise an die Fahrt im Krankenwagen, der mit Blaulicht die knapp 70 Km zur damals nächstgelegenen Kinderklinik zurückgelegt hat. Und ich erinnere mich an die Klinik, in der ich mit 5½ Jahren mehr als 3 Monate gelegen habe. Zunächst in Quarantäne. Allein. Später dann mit zwei weiteren Kindern. Die Schwestern waren alle mit Mundschutz. Immer. Auch die Ärzte. Heute weiß ich, dass die wenigsten damals geimpft waren und alle mit dem Risiko agieren mussten, sich ggf. zu infizieren. Die Besuche waren rar. Meine Eltern hatten damals noch Landwirtschaft, mein Vater war in einer kaufmännischen Zusatzausbildung und Mutter hatte keinen Führerschein. So kam mein Familie einmal in der Woche zu Besuch. Für Besucher gab es den Balkon. Überdacht, damit die nicht nass wurden. Zum Zimmer hin war eine große Scheibe. Daneben ein Telefon. So konnten sich die Besucher mit den kleinen Patienten unterhalten. Besuche in der Station waren verboten. Kontakt gab es nur von außen. Körperkontakt, mütterliche Geborgenheit und körperlichen Trost gab es nicht. An Besuchstagen habe ich das Telefon belagert und Weinkrämpfe gekriegt, wenn es jemand anders gewagt hat, den Hörer draußen auch nur anzufassen. Ich dachte immer wenn meine Mutter kommt, dann kann sie nicht mit mir sprechen und ich muss wieder warten.
Die Besuchszeiten waren kurz, ein paar Worte Trost und dann waren sie auch schon wieder weg und ich hatte nur die lieben, aber maskierten Krankenschwestern in den komischen Ganzkörperkitteln um mich herum und ich habe jeden Abend Rotz und Wasser geheult.
Manchmal träume ich davon. Bis heute.
Ich habe mich damals bei meinem Nachbarsjungen angesteckt. Der hatte die Masern wie sich später herausstellte. Nur die Masern. Normaler Verlauf. Der Glückliche.
Diese Maserninfektion mit Windpocken und der Lungenentzündung war eine der schlimmsten Erfahrungen meiner Kindheit und bis heute bedrückt es mich - auch wenn es schon 40 Jahre her ist.
Und meine Kinder werden derartiges auch nicht erleben, soweit ich das beeinflussen kann!
Ihr ahnt es bereits. Ich bin ein bis ins tiefste überzeugter Impfbefürworter. Ich habe meine eigenen Erfahrungen gemacht und stütze mich nicht auf irgendwelche Forschungen oder Ergebnisse wie auch immer motivierter Arbeitsgruppen. Ich hatte damals keinen Impfschutz und daran wäre ich fast verreckt. Ich habe mich zudem bei einem anderen Kind infiziert, und war kränker als derjenige der mich angesteckt hat.
Zu meinen Kindern. Beide sind vollständig durchgeimpft. Komplikationen gab es, aber wenige und es waren die, die man erwarten kann, wenn sich ein Immunsystem auf Krankheitserreger einstellt. Leichtes Fieber, Hautausschlag, die leichte Masernsymptomatik usw. Im Vergleich zu dem was passiert wenn die aggresiven Formen der Krankheiten ausbrechen - pillepopp!
Ja. Ich weiß. Impfungen können Nebenwirkungen haben. Infektionen haben diese "Nebenwirkungen" aber auch und das in deutlich häufigerer und schmerzhafterer Form. Ich selbst kann immer noch an einer Masernspätfolge erkranken. Diese möglichen Spätfolgen bestehen bei allen, die die Krankheit durchlebt haben. Das ist Fakt. Nur weil das Kind dann irgendwann (scheinbar) wieder gesund ist, heißt das längst nicht, dass das Kind tatsächlich beschwerdefrei leben wird. Ob man das Glück hat (es ist tatsächlich nichts weiter als Glück) dass das Kind keine subakut-sklerosierende Panenzephalitis bekommt, wird man mit Erreichen des 12ten Lebensjahres wissen. Und ob man das Risiko der später möglichen Krankheiten eingehen will.... Ich will es nicht.
Meine Kinder sind kein Spekulationsobjekt!
Hinzu kommt meine Verantwortung gegenüber jenen, die nicht geimpft sind! Weil sie noch zu jung sind. Weil Krankheiten keine Impfung zu lassen, oder weil Eltern aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen bewusst nicht impfen. Meine Kinder werden niemanden vermeidbar infizieren so wie ich infiziert wurde.
Allerdings ist meine Einstellung auf der anderen Seite ebenso konsequent: Wird unser noch ungeborenes Kind in den ersten Lebensmonaten von einem vorsätzlich ungeimpften Kind mit welchem vermeidbaren Infekt auch immer infiziert, dann werde ich die verantwortlichen Eltern auf vorsätzliche Körperverletzung verklagen!
Das wird dann ein (in meinen Augen längst überfälliger) Musterprozess.
Für mich heißt impfen Verantwortung übernehmen gegenüber meinem Kind. Es heißt aber auch Verantwortung zu übernehmen gegenüber jenen, die ggf. durch mein Kind oder mich infiziert werden können. Und bei aller Freiheit, die die erklärten Gegner von Impfungen in Anspruch nehmen vermisse ich Stellungnahmen zu sozialen Verantwortung.
Meinethalben mag es jeder für sich entscheiden und auch der Impfung ablehnend gegenüber stehen. Aber ich erwarte, dass sich diejenigen der Verantwortung bewusst sind, dass sich ggf. andere infizieren, die dann echt Probleme haben können.
Hier besteht akut Handlungsbedarf. Wenn zB. ein ungeimpftes Kind eine Masernerkrankung in eine Kinderaztpraxis oder in eine Kita schleppt und sich dort Kinder infizieren, die entweder nicht geimpft sind - oder aufgrund von Alter oder gesundheitlichen Belangen nicht geimpft werden können, wie gehen bewusst nicht impfende Eltern damit um?
Ich verlange als Impfbefürworter, dass die Verursacher haftbar gemacht werden. Sich an den Behandlungskosten beteiligen, oder gar Schadensersatz leisten müssen. Ich vermisse hier klare Regeln. Ob ich nun ein Kind oder jemand anderen Schlage, oder zulasse dass er sich infiziert - wo ist da der Unterschied? Seine körperliche Unversehrtheit wird beeinträchtigt. Ob durch Viren oder Prügel. Verletzungen können aktiv oder durch Unterlassung zugefügt werden. Schlussendlich leidet jemand, der nicht leiden müsste. Schwieriges Thema. Ich weiß. Aber wer A sagt, der sollte auch B sagen.
Nicht impfen? Okay, ist in Deutschland möglich!
Fremdinfiziert? Ist in Deutschland auch möglich!
Aber wer haftet? Denken nicht impfende Eltern überhaupt an andere Kinder oder ist die Betrachtung einseitig, d.h. man denkt nur an die eigenen Kinder? Steht das vermeintliche Wohl der eigenen Kinder höher? Selbst dann noch, wenn durch diese Einstellung die Gesundheit anderer beeinträchtigt werden kann?
DAS würde mich interessieren. Ganz ehrlich! Und ist auch der Grund warum ich hier - als Impfbefürworter - schreibe.
Lg.
J.