http://www.impf-info.de/die-impfungen/hib.htmlHiB
Geschrieben von Dr. Steffen Rabe
Zuletzt aktualisiert: 17. September 2014
Impfstrategien
Bei Impfbeginn im 1. Lebensjahr 2 Impfungen im Abstand von 4 - 8 Wochen, Auffrischung nach 1 Jahr
Bei Impfbeginn nach dem 12./15. Lebensmonat genügt eine einzige Impfung eines Einzelimpfstoffes wie z.B. Act-Hib®.
Nebenwirkungen
Zuckerkrankheit/Diabetes mellitus Typ I: Die Frage, ob die HiB-Impfung für das Auslösen eines Diabetes mellitus verantwortlich gemacht werden kann wird nach wie vor hochkontrovers diskutiert.
Eine große (250.000 Kinder) finnische Studie hielt einen Kausalzusammenhang für unwahrscheinlich (Karvonen 1999), deren statistische Nachbefundung kommt zu widersprüchlichen Ergebnissen (arznei-telegramm 2000, Trampisch 1999).
In den letzten Jahren häufen sich allerdings die Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen der HiB-Impfung und dem Entstehen des Diabetes mellitus für möglich bzw. sogar für wahrscheinlich halten (Classen 2002, Wahlberg 2003)
Neuere Untersuchungen lassen den Verdacht aufkommen, Konjugatimpfstoffe wie die HiB- (und auch die Meningokokken-) Impfung könnten über ihren tiefen Eingriff in die Entwicklung des kindlichen Immunsystems die Entwicklung autistischer Krankheitsbilder fördern (Richmand 2011).
Epidemiologische Auswirkungen
Nach Einführen der Impfung für Kinder Anfang der 90er Jahre nahmen zur freudigen Überraschung der Epidemiologen auch die HiB-Erkrankungen bei Erwachsenen ab; man erklärte sich dies mit den durch die Impfung als Infektionsquelle ausfallenden Kindern. Seit Ende der 90er Jahre ist nun jedoch – bei gleich bleibender Impfaktivität - ein Wiederanstieg der erwachsenen HiB-Patienten zu beobachten, der bereits 2003 wieder das Niveau wie vor der Impfung erreichte. Parallel dazu ließ sich in Reihenblutuntersuchungen nachweisen, dass die Bevölkerungsimmunität gegenüber HiB – gemessen über Antikörperuntersuchungen – seit dieser Zeit kontinuierlich abnimmt (!). Das Zurückdrängen des Erregers durch die Impfung und der damit wegfallende Kontakt der Bevölkerung mit HiB-Bakterien scheint dafür unmittelbar verantwortlich zu sein. Die HiB-Massenimpfung der Kinder hat die Immunität der Erwachsenen HiB gegenüber langfristig also eindeutig verschlechtert, deren Anfälligkeit für die Erkrankung erhöht (McVernon 2004).
Es gibt keinen plausiblen medizinischen Grund davon auszugehen, dass dieses alarmierende Phänomen auf HiB begrenzt sein wird ... . Die Autoren der oben zitierten Studie folgern: „
Impfprogramme im Kindesalter können unvorhergesehene Auswirkungen auf die Epidemiologie von Erkrankungen im Erwachsenenalter haben, daher müssen Überwachungsstrategien immer die Gesamtbevölkerung betrachten.“. (McVernon 2004)
Studien an amerikanischen Ureinwohnern - die schon vor der HiB-Impfära von invasiven Haemophilus influenzae-Erkrankungen besonders häufig betroffen waren - zeigen, dass trotz intensiver Impfbemühungen die Rate an Hi-Erkrankungen hoch bleibt: hier lässt sich ein zunehmender Teil der entsprechenden Infektionen z.B. auf Haemophilus influenzae a zurückführen, ein Serotyp, der durch die Impfung nicht erfasst wird (Tsang 2014).
Literatur:
a-t 1999; Nr. 12: 126
a-t 2000; 31: 22
Classen JB. Autoimmunity. 2002 Jul;35(4):247-53.
Karvonen M. et al.: Brit. Med. J. 318 (1999), 1169
McVernon J. BMJ 2004, 329: 655-58
Richmand BJ. Med Hypotheses. 2011 Dec;77(6):940-7.
Trampisch HJ Gutachten vom 25. Nov. 1999 - zitiert aus a-t 1999; Nr. 12: 126
Tsang RS. Epidemiol Infect. 2014 Jul;142(7):1344-54. doi: 10.1017/S0950268814000405. Epub 2014 Mar 5.
Wahlberg J. Ann N Y Acad Sci. 2003 Nov;1005:404-8.
HiB - Die Erkrankung(en)
Geschrieben von Dr. Steffen Rabe
Zuletzt aktualisiert: 10. November 2013
Erreger
Haemophilus influenzae B, Bakterium (hat nichts mit der Influenza/Grippe zu tun!), tritt in einer bekapselten Form und in einer unbekapelten Form auf
Bei der bekapselten Variante unterscheidet man nochmals die Kapseltypen A bis F – die Impfung schützt nur gegen die bekapselte Form des Untertyps B.
Infektionsmodus
Tröpfcheninfektion
Epidemiologie
Vor der Einführung der HiB-Impfung wird (ohne gesichertes Datenmaterial) von ca. 1600 „invasiven Haemophilus influenzae-Infektionen“ (Erregernachweis in Blut oder Rückenmarksflüssigkeit) ausgegangen.
Nach der Einführung der flächendeckenden HiB-Impfung kam es in Deutschland - wie auch in anderen Ländern (Adams 1993, van Alphen 1997, Garpenholt 1996, Herceg 1997) - zu einem deutlichen Rückgang von invasiven HiB-Erkrankungen (Kalies 2008).
Seit 2006 wird jetzt in Deutschland ein kontinuierlicher Wiederanstieg der HiB-Infektionen beobachtet, ohne dass dafür bisher eine Erklärung gefunden worden wäre (RKI 2013) - es ist dies zur Zeit ein auf Deutschland begrenztes Phänomen, das jedoch so auch schon in anderen Teilen der Welt beobachtet wurde (Nascimento-Carvalho 2006, McVernon 2004); europaweit sind die Erkrankungszahlen seit 2007 relativ konstant (ECDC 2012).
In Großbritannien kam es nach der Einführung der HiB-Impfung zunächst zu einem deutlichen Abfall der HiB-Infektionen auch bei Erwachsenen ("Herdenimmunität"), 10 Jahre nach der Einführung jedoch - bei gleichbleibenden Impfquoten - zu einem deutlichen Wiederanstieg. Parallel konnte man in Blutproben eine Abnahme der HiB-Immunität in der erwachsenen Bevölkerung nachweisen - beides erklärte man sich über den fehlenden Erregerkontakt (durch die "erfolgreiche" Impfstrategie). Die Autoren der Untersuchung sprechen von unvorhergesehen Effekten von Impfprogrammen auf Bevölkerungsteile (Erwachsene), die primär an der Impfstrategie gar nicht beteiligt sind - denn zum Zeitpunkt der Studie waren HiB-Erkrankungen bei Erwachsenen häufiger, als vor Impfbeginn (McVernon 2004).
Auch in Deutschland steigen seit Jahren die Erkrankungszahlen älterer Erwachsener kontinuierlich an, etwa 70% der gemeldeten HiB-Infektionen betrafen 2012 Patienten über 60 Jahre (RKI 2013)
Da die Impfung "serotypenspezifisch" nur gegen einen Teil der Haemophilus influenzae-Bakterien schützt - nämlich gegen diejenigen mit einer Kapsel und dem Kapseltyp B - war eine entscheidende Frage in der Langzeitbeurteilung der Impfstrategie, inwieweit es durch die Massenimpfung zu einer Verschiebung hin zu durch die Impfung nicht erfassten Hi-Typen kommen würde. Auch wenn im Laufe der zurückliegenden 20 Jahre immer wieder vorübergehende, räumlich und zeitlich begrenzte entsprechende Beobachtungen gemacht wurden (Ribeiro 2007 und 2003), ist über den langen Zeitraum - anders als z.B. bei den Pneumokokken - kein nachhaltiges replacement durch andere Serotypen festzustellen (ECDC 2012, Berndsen 2012, Kalies 2009). Ein kleiner, wenn auch typischer Schönheitsfehler dieser Studien speziell für Deutschland war ihre Finanzierung durch die Hersteller des HiB-Impfstoffs... (Kalies 2009).
Der tatsächliche Schutzeffekt der Impfung ist unklar - eine Literaturübersicht der renommierten Cochrane Library kommt denn auch 2003 zu irritierenden Ergebnissen: der Schutzeffekt der HiB-Impfung vor HiB-Erkrankungen liegt wohl irgendwo zwischen 46 und 93% (!) – ein sicherer Schutz durch die Impfung vor tödlichen HiB-Verläufen oder ein Einfluss auf die Sterblichkeit überhaupt ließ sich nicht sicher nachweisen (Swingler 2003).
In Deutschland waren 2012 von den 35 HiB-Patienten unter 22 Jahren (Einführung der Impfung 1990) 15 geimpft (7 davon vollständig, 1 unvollständig) und 11 ungeimpft (RKI 2013).
50% aller invasiven HIB-Fälle betreffen Kinder aus „day-care-settings“, also Kinder in Kinderkrippen, Kindertagesstätten etc. (Cochi 1986)
Ca. 90% aller Erkrankungen treten vor dem 6. Geburtstag, ca. 75% vor dem 2. Geburtstag, ca. 50% vor dem 1. Geburtstag auf.
Bis zu 5% der (ungeimpften) Vorschul/Schulkinder sind gesunde Keimträger
Der Erkrankungsgipfel der Meningitis liegt im 2. Lebenshalbjahr, der der Epiglottitis ab dem 3. bis zum 6. Lebensjahr
Stillen verringert das Risiko einer schweren HiB-Infektion nachweisbar, der Effekt hält auch nach Ende des Stillens bis ins Schulkindesalter an (Silfverdal 1997)
Infektionsverlauf
Inkubationszeit einige Tage
verantwortlich für im wesentlichen 2 „invasive“ Erkrankungen
Eitrige Hirnhautentzündung (Meningitis) (früher Haupterreger - nicht einziger Erreger! im Kindesalter)
typischer Verlauf mit hohem Fieber, stark reduziertem Allgemeinzustand, Kopfschmerzen, neurologischen Symptomen
Eitrige Kehldeckelentzündung (Epiglottitis acutissima phlegmonosa)
akut einsetzende entzündliche Verschwellung des Kehldeckels mit starker Luftnot, Erstickungsgefahr, hohem Fieber
Therapie
für beide Erkrankungen intensivmedizinische Betreuung
antibiotische Therapie
Epiglottitis: i.d.R. Intubation und künstliche Beatmung
Meningitis: i.d.R. Cortison zum verhindern neurologischer Folgeschäden
Prognose
abhängig vom Zeitpunkt des Therapiebeginns
Meningitis: bleibende Innenohrschwerhörigkeit bei bis zu 6% der Patienten
Epiglottitis: lebensbedrohlich, bei rechtzeitigem Therapiebeginn/Intubation gute Prognose
Literatur
Adams WG. Jama 1993, 269:221-226.
van Alphen L. J Pediatr 1997, 131:869-873.
Berndsen MR. Clin Microbiol Infect. 2012 Sep;18(9):918-23. doi: 10.1111/j.1469-0691.2011.03700.x.
ECDC. Annual epidemiological report 2012.
Garpenholt O. Scand J Infect Dis 1996, 28:165-169.
Herceg A. Commun Dis Intell 1997, 21:173-176.
Kalies H. Vaccine 2008, 26:2545-2552.
Kalies H. BMC Infectious Diseases 2009, 9:45 doi:10.1186/1471-2334-9-45
McVernon J. BMJ VOLUME 329 18 SEPTEMBER 2004
Nascimento-Carvalho CM. J Pediatr (Rio J). 2006 Jul;82(3 Suppl):S109-14.
Ribeiro GS. J Infect Dis. 2003 Jan 1;187(1):109-16. Epub 2002 Dec 13.
Ribeiro GS. Vaccine. 2007 May 30;25(22):4420-8. Epub 2007 Mar 30.
RKI. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch 2012. Berlin, 2013.
Swingler G. The Cochrane Library, Issue 4, 2003.